Ein Gespräch mit Kai Ostermann, Präsident des BDL
Herr Ostermann, Sie sind auf der Mitgliederversammlung im April 2018 als Präsident des BDL für drei weitere Jahre bestätigt worden. Wo liegen die Schwerpunkte der Verbandsarbeit, welche Themen werden den BDL in den nächsten Jahren beschäftigen?
Aktuell sehe ich vor allem zwei zentrale Anliegen der Leasing-Wirtschaft: die Rahmenbedingungen für Investitionen in Deutschland zu verbessern und eine angemessene Regulierung für Leasing-Gesellschaften zu erreichen.Die Unternehmensinvestitionen haben sich in der Vergangenheit zu oft als Achillesferse der deutschen Wirtschaft erwiesen. Die Politik darf auch bei guten Konjunkturaussichten die Rahmenbedingungen für private Investitionen nicht aus den Augen verlieren. Der BDL drängt daher auf die notwendige Überarbeitung der AfA-Tabellen, die seit fast 20 Jahren nicht mehr angepasst wurden. Digitalisierung und Industrie 4.0 verkürzen die Technologiezyklen exponentiell. Die Abschreibungszeiten müssen so angepasst werden, dass sie den tatsächlichen Wertverlauf der Wirtschaftsgüter widerspiegeln. Dies schafft Anreize für Investitionen in moderne Ausrüstungsgüter und Produktionsverfahren.
Weitere Investitionshemmnisse für mittelständische Unternehmen sind Bürokratie und Überregulierung, die abgebaut werden müssen.
Die Leasing-Wirtschaft ist selbst stark mittelständisch geprägt und klagt über eine hohe Regulierungsdynamik. Was wollen Sie für die Branche erreichen?
Der BDL setzt sich für eine angemessene Regulierung der Leasing-Gesellschaften ein, die die mittelständische Branchenstruktur und das risikoarme Geschäftsmodell berücksichtigt. Die Mehrzahl der Regulierungsinitiativen orientiert sich an den Standards großer, international agierender Banken. Leasing-Unternehmen sind jedoch keine Banken, sie sind kleiner, weniger komplex und haben ein geringeres Risiko. Sie dürfen nicht nach Bankenstandards reguliert werden. Wir treten daher für die Entkoppelung von Anforderungen an große Kreditinstitute ein. Zudem muss dem Proportionalitätsprinzip bei der Umsetzung mehr Geltung verschafft werden, denn Differenzierung und Proportionalität kommen in der Praxis oft nicht an, da im Wechselspiel von Gesetzgeber, Aufsichtsbehörden und Abschlussprüfer der Gestaltungsspielraum nicht angemessen genutzt wird.
Der Wind in puncto Regulierung weht kräftig aus Europa. Was wünschen Sie sich von der deutschen Politik?
Die deutsche Politik könnte den Regulierungsinitiativen aus Brüssel durchaus an einigen Stellen entschiedener entgegentreten und die vorhandenen Spielräume bei der nationalen Umsetzung besser nutzen. Warum müssen zum Beispiel Leasing-Gesellschaften in Deutschland, aber in keinem anderen EU-Land, einer Institutsvergütungsverordnung mit umfangreichen Dokumentationspflichten unterliegen? Zentral ist sicher auch, sich den erfolgskritischen Besonderheiten der deutschen Wirtschaftsstruktur bewusst zu sein. Ein europäisches „one size fits all“ birgt hier Gefahren. Ich bin davon überzeugt, dass das deutsche Wirtschaftsmodell mit dem in Europa beispiellosen „German Mittelstand“ eine entsprechende mittelständische Finanzwirtschaft mit kleinen und mittleren Finanzdienstleistern braucht. Wer diese Struktur durch unangemessene regulatorische Anforderungen gefährdet, gefährdet am Ende auch den Erfolg der deutschen Wirtschaft.
Trotz der Herausforderungen und mitunter schwierigen Rahmenbedingungen schreibt die Leasing-Branche Rekordzahlen. Warum ist Leasing so erfolgreich und wo sehen Sie weitere Chancen und Wachstumspotenziale für die Branche?
In der Tat geht es der Leasing-Branche gut. Das Neugeschäft wächst kontinuierlich. Die Branche hat es mit ihrer Innovationskraft immer wieder geschafft, sich den Herausforderungen der Zeit zu stellen. Wachstumspotenzial bieten Digitalisierung und Industrie 4.0, die enorme Investitionen nach sich ziehen. Die Leasing-Gesellschaften können diese Investitionen für ihre Kunden realisieren, denn sie verfügen über die notwendigen Kenntnisse der modernen Produktionsprozesse, der Objekte und Märkte. Die Leasing-Wirtschaft steht daher nicht nur in engem Bezug zur Realwirtschaft, sondern fungiert als Scharnier zwischen Real- und Finanzwirtschaft. Aufgrund ihrer Expertise kann die Leasing-Wirtschaft ebenfalls die durch die neuen vernetzten Technologien und Wertschöpfungsketten gelieferten Datenmengen zielgerichtet analysieren und daraus Serviceleistungen oder nutzungsorientierte Leasing-Modelle entwickeln. Nicht zuletzt passt die Grundidee des Leasing in das digitale Zeitalter, das durch Sharing-Konzepte wie zum Beispiel Cloud-Lösungen geprägt ist. In beiden Fällen gilt: Der Nutzen zählt, weniger das Eigentum.